Konzept

Neuland

Ein gigantisches globales Rechnernetzwerk schafft neue Welten, in denen Raum und Zeit überwunden und physikalische Gesetze außer Kraft gesetzt sind. Willkommen im Land des kybernetischen Raums und der virtuellen Realitäten – einem Land,
“in dem die Zukunft in so hellem Licht erstrahlt, dass man die Sonnenbrille aufsetzen muss. Und Gesandte dieser Zukunft – eines faszinierenden und nicht gänzlich fremden Landes – kommen täglich an. Um dieses Land, aus dem sie kommen, kennen zu lernen, müssen wir etwas von seiner Sprache verstehen, seiner militärischen Führung, seinen führenden Theoretikern und Propagandisten, seiner gesellschaftlichen Programmatik und seinen Gründungsmyhten“. (Paulina Borsook)

Die Geschehnisse im Cyberspace spielen sich heute nicht mehr in einem abgeschlossenen Zirkel von Pizza essenden Programmiererinnen und Programmierer ab. Twitter, Skype und Facebook haben den permanenten Netzzugang und die ununterbrochene Kommunikationspflicht in den privaten und öffentlichen Raum katapultiert. Realraum und virtueller Raum durchdringen einander durch Botschaften in diesem, aus jenem und vice versa ohne Unterlass. Parallel laufen in diesen Räumen Geschäftsprozesse aller Art ab. Neben Transaktionen von Macht und Geld recherchieren Suchende im Netz – egal ob Jobs, Aktienkurse oder die Gewohnheiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der öffentliche Raum, früher medial auf die Ausbreitung über Massenmedien beschränkt, erstreckt sich über das Social Web längst auf virtuelle Welten.

Das Internet verschwindet: Alles ist online

Schon seit einiger Zeit fällt auf, dass Computer zu verschwinden scheinen. Reste davon sind noch in Terminals (Laptops und Standmaschinen) sichtbar. Von Kaffeemaschine und Waschmaschine über Telefon, Fahrrad, Automobil, Vergaser, Fahrkartenautomaten bis zur Kasse im Supermarkt interagieren wir im Minutentakt mit Computern, ohne das tatsächlich wahrzunehmen oder eine Besonderheit darin zu erkennen.

Analoges geschieht derzeit im Onlinebereich. Alles ist permanent online und in der „Cloud“. Vermehrt kommen Geräte auf den Markt, die ohne permanenten Netzzugang keinen Sinn machen. Mit Chrome und Google Chrome OS betreibt Google auch das Verschwinden von Betriebssystemen. Die Benutzung des Computers funktioniert dann ausschließlich über den Browser und dessen allmächtiges, allgegenwärtiges Interface, die Suchmaschine.

Die Suchmaschine

Die Eingabemaske der Suchmaschinen ist zentrales Interface. Ihre Antworten haben den traditionellen Zugang zu Wissensbeständen beziehungsweise dessen systematische Strukturierung mittlerweile grundlegend verändert. Der Blick auf die Welt wird aus dieser Perspektive ein völlig anderer. Suchmaschinen sind ein hervorragendes Beispiel für eine im Netz stattfindende Entwicklung weg von klar definierten vorgegebenen Inhalten hin zu Informationsangeboten, die sich erst im Rahmen der tatsächlichen Nutzung und durch die Interaktionen der Userinnen und User klar herausbilden. „I actually think most people don’t want Google to answer their questions. They want Google to tell them what they should be doing next“, so Eric Schmidt, Google CE, in „The Wall Street Journal“ vom 14. August 2010.

Der Turm

Der Turm ist einer der Hineinsicht: Nicht begehbar, laden seine sieben Öffnungen die Köpfe der Besucherinnen und Besucher zum Hineinstecken und Verweilen ein. Der kopflose Körper bleibt außerhalb des Turms. Der Akt des Kopfhineinsteckens startet die Weltenmaschine und verurteilt die Agierenden zum Hinterlassen ihres Profils. Das Netz ist stumm, und doch verleiht es vielen eine Stimme. Die Köpfe hören leise Stimmen, begegnen vermutlich einem Gegenüber. Fällt ihr Blick auf den Boden des Turms, erleben sie Suchvorgänge von real abgefragten Begriffen zu Ausstellungsinhalten. Dahinter liegende relevante Vorgänge wie etwa Netzstruktur, Datenlokalisation oder auch Datenspuren und Wege werden sichtbar. Zusätzlich erscheinen Angebote zur Vertiefung einzelner Aspekte. Die Konzentration der Darstellung auf den Suchvorgang zeigt den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung nicht die „neue Sicht der Dinge“, sondern soll erlebbar machen, wie die „neue Sicht der Dinge“ erzeugt wird.

Suchabfragen produzieren Inhalt. Und alles beginnt mit einer schlichten Eingabezeile, archaisch wie bei den ersten Terminals …