Symposium

Wissensmaschinen zwischen Freiheit und Kontrolle

veranstaltet von IMA Institut für Medienarchäologie in Kooperation mit Theo Röhle, Autor von “Der Google Komplex. Über Macht im Zeitalter des Internets”.

DO 6.10 2011 10:00 – open end worklab (nicht öffentlich)
FR 07.10.2011 09:30 – 18:00 Präsentationen (öffentlich, keine Anmeldung erforderlich, Eintritt frei)
09:30 – 11:00 Index: Einführungsvortrag Katja Mayer, Präsentationen aus dem worklab, Diskussion
11:30 – 13:00 Algorithmus: Einführungsvortrag Malte Ziewitz, Präsentationen aus dem worklab, Diskussion

14:00 – 15:30 Profil: Einführungsvortrag Astrid Mager, Präsentationen aus dem worklab, Diskussion
16:00 – 18:00 Podiumsdiskussion moderiert von Sonja Bettel
mit Konrad Becker (World-Information.Org), Wolfgang Sander-Beuermann (SuMa-eV), Astrid Mager, Katja Mayer, Theo Röhle, Malte Ziewitz, u.a.,

TeilnehmerInnen: Seppo Gründler, Seda Gürses, Joris van Hoboken, Jogi Hofmüller, Reni Hofmüller, Astrid Mager, Katja Mayer, Hannes Carl Meyer, Nicole Pruckermayr, Ushi Reiter, Theo Röhle, Elisabeth Schimana, Martin Schitter, Malte Ziewitz, IOhannes Zmölnig

Kulturfabrik Hainburg
Kulturplatz 1 bzw. Donaulände 33
2410 Hainburg/Donau

Das Symposium gliedert sich in ein eintägiges Worklab, in welchem die TeilnehmerInnen die drei Themenfelder Index, Algorithmus und Profil bearbeiten und einen öffentlichen Präsentationstag, an dem die Ergebnisse aus den Gruppen einem breiteren Publikum vorgestellt werden sowie Einzelpräsentation möglich sind.

Suchmaschinen stellen heute die wichtigste Form des Informationszugangs im Internet dar. In den Händen der Nutzer sind sie ein mächtiges Werkzeug zum Auffinden von Inhalten: Mit ihnen lassen sich auch die abgelegensten Winkel des World Wide Webs noch nach spezifischen Informationen durchforsten, ohne sie wäre man in der Menge der verfügbaren Informationen schnell verloren. Ein freier Informationsaustausch und eine demokratische Diskussionskultur im Netz sind ohne einen solchen Zugang nicht denkbar. Suchmaschinen sind jedoch keine neutralen Werkzeuge, sie sind Maschinen, die eingebunden in ökonomische, politische und technische Bedingungen, bestimmte Arten von Wissen hervorbringen. Zu fragen ist daher immer auch, wer Suchmöglichkeiten zur Verfügung stellt, wie auf den Informationszugang Einfluss genommen wird und welche Anforderungen in die Technikentwicklung einfließen. Ziel des Symposiums ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Kulturen des Suchens im Netz. WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und TechnikerInnen werden gemeinsam erkunden, in welche Richtungen sich die Online-Suche in den letzten Jahren bewegt hat und welche neue Entwicklungen sich in diesem zentralen Spannungsfeld zwischen Freiheit und Kontrolle anstoßen lassen.

Die Initative zu diesem Symposium entstand im Rahmen der beiden künstlerischen Arbeiten insight-Turm – eine Weltenmaschine, ein Auftrag der NÖ Landesausstellung 2011 an IMA Institut für Medienarchäologie (Seppo Gründler, Nicole Pruckermayr, Elisabeth Schimana, Martin Schitter), und Modells das perfekte Profil, eine LED Installation im Auftrag von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich an Nicole Pruckermayr und Elisabeth Schimana. Konzipiert wurde das Symposium zusammen mit Theo Röhle, Autor des Bands Der Google Komplex. Über Macht im Zeitalter des Internets, dessen Forschungsergebnisse in die Arbeit an diesen Projekten eingeflossen sind. Zusammen enstand das Bedürfnis, die immer wieder neu auftauchenden Fragestellungen gemeinsam mit WissenschaftlerInnen und TechnikerInnen und anderen KünstlerInnen zu bearbeiten und zu vertiefen.

Zum Inhalt:

1. Index
Um das World Wide Web durchsuchbar zu machen, müssen zunächst enorme Mengen von Daten erfasst und in eine Form gebracht werden, in der sie schnell und effektiv verarbeitet werden können. Diese grundlegende Infrastruktur der Suche – der Index – lässt sich inzwischen nur noch mit immensem finanziellen Aufwand konstruieren. Der Hauptindex des Internets gehört heute Google, einer privaten Firma mit Monopolstellung und einem großen technischen Vorsprung vor seinen Konkurrenten. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den Informationszugang? Reicht es aus, wenn ein Akteur einen zentralen Index zur Verfügung stellt? Könnte man die Zugänge zu diesem Index anders regeln, z.B. durch verlässliche Programmierschnittstellen, langfristige Verträge mit Forschungseinrichtungen o.ä.? Oder muss man sich über einen alternativen Index Gedanken machen, wenn es auf absehbare Zeit noch ein “Jenseits” von Google geben soll? Welche Form könnte dieser annehmen – staatlich gefördert, Peer-to-Peer, spezifizierte Indizes für einzelne Interessensgruppen?

2. Algorithmus
Suchmaschinen reduzieren ein Datenuniversum von 3 Billionen Websites auf die übersichtliche Zahl von zehn Ergebnissen. Möglich wird diese Reduktion durch eine Vielzahl von Algorithmen, die hinter den Kulissen selektieren, sortieren, bewerten und vergleichen. Der Vorteil dieser Verfahren liegt auf der Hand: ohne sie wäre das Web schlicht unnavigierbar. Allein das Aussortieren von Spam würde die zeitlichen und kognitiven Kapazitäten der Nutzer bei weitem überfordern. Suchalgorithmen bilden daher die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Handeln im Netz, beinhalten aber gleichzeitig Aspekte der Kontrolle über dieses Handeln. Auch wenn einige der Suchalgorithmen bekannt sind und sich über andere spekulieren lässt – zum allergrößten Teil verrichten sie ihre Arbeit nach wie vor im Verborgenen. Umso wichtiger erscheint es, sich über die vorherrschende Monokultur im Bereich der Algorithmen Gedanken zu machen. Welche Arten von Wissen werden hervorgebracht, welche gehen verloren? Ist genügend Transparenz vorhanden oder sollten mehr Kriterien offengelegt werden? Welche experimentellen Zugänge sind denkbar – lassen sich durch alternative Algorithmen andere Regimes der Sichtbarkeit schaffen? Wer trägt die Verantwortung für diese Entwicklungen?

3. Profil
In die Suche fließen immer größere Mengen an Nutzerdaten ein – geographische und zeitliche Angaben werden berücksichtigt, die individuelle Suchhistorie wird ausgewertet und Seiten, die oft angeklickt werden, landen weiter oben in den Ergebnissen. Individuelle und gruppenbasierte Profile sorgen dafür, dass Ergebnisse an persönliche Vorlieben angepasst werden. Der Wissenszugang wird immer bequemer, die Suchmaschine scheint zu wissen, was wir wissen wollen. Für die Nutzer schaffen diese Verfahren Entlastung, das Web passt sich in Echtzeit an ihre Anforderungen und Bedürfnisse an, sie sind mit weniger Sortier- und Selektionsentscheidungen konfrontiert. Was heißt das für den Zugang zu Informationen – eine Tendenz zur Fokussierung und Konzentration oder doch eher zur Aufssplitterung in hermetische Informationssphären? Aus Firmensicht sind Profile vor allem kommerziell interessant – sie lassen sich nutzen, um die Wahrscheinlichkeit individueller Kaufentscheidungen zu berechnen, zu evaluieren und zu optimieren. Welche Korrelationen geraten durch diese “profiling machines” (Greg Elmer) in den Blick und welche gehen verloren? Kann es ein Data Mining jenseits ökonomischer Rationalitäten geben? Wie kann ein selbstbestimmter Umgang mit Profilen aussehen?